Naturpark-Blick bei Osterode am Harz
Naturpark-Blick bei Osterode am Harz

Die Geschichte des Naturparks "Harz/Sachsen-Anhalt"

 

von Dr. Klaus George

Der entscheidende Wegbereiter der deutschen Naturparke war der Hamburger Großkaufmann Dr. Alfred Toepfer. Auf der Jahresversammlung des Vereins Naturschutzpark am 6. Juni 1956 in der Friedrich-Wilhelms Universität zu Bonn entwarf er in seinem Vortrag zum Thema "Naturschutzparke - eine Forderung unserer Zeit" ein Programm, das im Westen Deutschlands mindestens 25 Naturparke vorsah (LOMMEL et al. 2003). Betrachten wir die im Folgejahr entstandene Karte der konkretisierten Vorschläge, so fällt auf dass man für drei der Vorschlagsgebiete von den die damalige Grenze zur DDR überschreitenden künftigen Naturparken ausging, sich also bei der Planung an naturräumlichen Grenzen orientierte.

Namentlich handelte es sich bei diesen drei grenzüberschreitend konzipierten Naturparken um den Harz sowie die Gebiete der Lauenburger Seen und der Rhön. In den beiden letzteren sind heute mit den Biosphärenreservaten Schaalsee (Mecklenburg-Vorpommern) und Rhön (Bayern, Hessen und Thüringen) Großschutzgebiete eingerichtet. Der Begriff "Biosphärenreservat" für ein Großschutzgebiet, war aber Ende der 1950er Jahre noch nicht existent. Im Kerngebiet der Naturparke stellte man sich die künftigen Nationalparke vor. Weder Naturparke, noch Nationalparke kannte man jedoch zu jener Zeit als gesetzliche Schutzgebietskategorien, war doch das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 (RGBl. I S. 821) bis in das Jahr 1976 geltendes Recht in der damaligen Bundesrepublik (als Landesrecht in den einzelnen Bundesländern in modifizierter Form). Mit den Naturparken sollten deshalb auch nach den Bestimmungen des Reichsnaturschutzgesetzes als Natur- oder Landschaftsschutzgebiete ausgewiesene "lärmgeschützte Bereiche" geschaffen werden (LOMMEL et al. 2003). Der beabsichtigte Schutz vor Lärm kann dabei als deutliches Indiz angesehen werden, dass der Schutz und die Einrichtung großräumiger Erholungslandschaften ein wesentliches Ziel darstellte. Als "Oase der Stille" wurde folgerichtig 1960 im Westharz der erste Naturpark im Harz gegründet (v. KORTZFLEISCH o. J.).

Im Osten Deutschlands hingegen ersetzte bereits frühzeitig das Naturschutzgesetz vom 4. August 1954 (GBl. S.695) das Reichsnaturschutzgesetz. Die auf der Grundlage des Landeskulturgesetzes vom 14. Mai 1970 (GBl. I S. 67) erlassene Naturschutzverordnung vom 18. Mai 1989 (GBl. I S. 159) schaffte dann die rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Biosphärenreservaten. Anstelle der im Westen Deutschlands bereits existierenden Naturparke sah § 14 des Landeskulturgesetzes lediglich die Entwicklung von Landschaftsschutzgebieten und anderer geeigneter Gebiete, insbesondere wald- und gewässerreiche Landschaften, zu Erholungsgebieten vor. Auch Nationalparke waren dem DDR-Recht fremd. Die Erarbeitung eines Nationalparkprogrammes für die DDR war deshalb eine der wesentlichen umweltpolitischen Forderungen im Herbst 1989 (MÜLLER 1993). Die Forderung wurde erfolgreich durchgesetzt: Durch den Ministerratsbeschluss Nr. 18/I.43/9 vom 16. März 1990 erfolgte zunächst die einstweilige Sicherstellung von fünf Nationalparks, sechs Biosphärenreservaten und 13 Naturschutzparks, unter letzteren auch der Ostharz. Infolge der Beschleunigung des Prozesses der deutschen Wiedervereinigung konnte jedoch der Plan, diese 26 Gebiete binnen zwei Jahren endgültig unter Schutz zu stellen, nicht eingehalten werden. Mit dem Umweltrahmengesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. I S. 649, in Kraft getreten am Tag der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, dem 1. Juli 1990) wurde das Bundesnaturschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. März 1987 (BGBl. I S. 889) Rahmengesetz auch für das Gebiet der DDR (CASSENS 1993). Fortan konnte es nicht mehr um die Ausweisung von Natur s c h u t z parken gehen, sondern es wurde die Schutzgebietskategorie der Naturparke eingeführt.

Mit dem inzwischen legendären letzten Beschluss des Ministerrates der DDR vom September 1990 wurden dann auf der Grundlage von Art. 6 § 6 Nr. 1 des Umweltrahmengesetzes in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes fünf Nationalparke, sechs Biosphärenreservate und drei Naturparke verordnet, darunter der Nationalpark Hochharz (vgl. GBl. DDR SD Nr. 1469), nicht jedoch der Ostharz als Naturpark. Dies war nach vollständiger Überleitung des Bundesnaturschutzgesetzes durch den Einigungsvertrag (BGBl. II S. 885) als Landesrecht Sache der neuen Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen. Gemäß der Schutzgebietskonzeption des Landes Sachsen-Anhalt sollte der seit 1990 einstweilig als Naturschutzpark gesicherte Teil des Harzes bis 1993 endgültig als Naturpark festgesetzt werden. Vor Ort waren viele der früheren ehrenamtlichen Naturschutzhelfer bzw. Naturschutzbeauftragten inzwischen als Mitarbeiter in Naturschutzverwaltungen gewechselt, darunter in die unteren Naturschutzbehörden der Landkreise. Da der Naturpark im Westharz bereits seit 1960 bestand, lag es für die Vertreter der Kreise des Ostharzes nahe, sich über entsprechende Erfahrungen der Landkreise Goslar und Osterode am Harz zu informieren. Im Ergebnis der zu diesem Thema am 25. April 1991 in Düna stattgefundenen 5. Zusammenkunft der Regionalen Arbeitsgemeinschaft "Naturschutz im Harz" wurde dann festgestellt, dass es lohnenswert wäre, einen länderübergreifenden Naturpark "Harz" aufzubauen. Dieser müsste sich deutlich vom bisherigen Naturpark in Niedersachsen unterscheiden und Entwicklungskonzepte u. a. für Verkehr, Siedlungsentwicklung, Fremdenverkehr und Erholung erarbeiten und umsetzen. Den Landräten/Oberkreisdirektoren wurde empfohlen, dazu einen Verein "Naturpark Harz e. V." zu gründen, was dann tatsächlich gemeinsam mit der zeitgleichen Gründung des Kulturverband Harz e. V. und Regionalverband Harz e. V. am 10. Juni 1992 in der Kaiserpfalz Goslar feierlich erfolgte. Im Jahr 1995 stellten diese drei Vereine ihre Tätigkeiten ein; fortan wurden die Aufgaben vom zeitgleich neu gegründeten Regionalverband Harz e. V. übernommen. Weder in Thüringen noch in Sachsen-Anhalt waren zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre nach der Wiedervereinigung tatsächlich Naturparke verordnet.

Der Regionalverband war bestrebt, die gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Februar 1992 (GVBl. LSA S. 108) vorgesehene Trägerschaft des Naturparks zu erlangen, doch es gab andere Vereine als Mitbewerber. Um diese in eine abgestimmte Naturparkarbeit integrieren zu können, konstituierte sich am 15. März 1996 in Quedlinburg der Arbeitsausschuss "Naturpark" des Regionalverbandes Harz. Gut ein Jahr später, im Mai 1997, unterzeichneten dann die Vorsitzenden der "Naturparkvereine" des Harzes eine gemeinsame Erklärung, worin sie u. a. den Anspruch des Regionalverbandes als künftigen Träger des Naturparks unterstützen. Die Unterzeichner waren Herr Landrat Sommer für den Harzer Förderkreis, Herr Berg für den Harzer Naturschutzförderkreis, Herr Landrat Dr. Pietsch für den Harzer Verkehrsverband, Herr Landrat Dr. Ermrich für den Harzklub, Herr Freitag für den Landschaftspflegeverband Harz und Herr Landrat Zehnpfund für den Regionalverband Harz.

Unverzichtbar für die Vermittlung der Naturparkidee war und ist, dass in der Folge (seit 1998) das Land Sachsen-Anhalt den Regionalverband für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle Naturpark Harz fördert. Der Regionalverband Harz startete verschiedene Naturparkprojekte und verlieh 1999 erstmals den Naturparkpreis. Aus Sicht des zuständigen Landesministeriums standen aber die noch nicht vollständig abgeschlossene Neuverordnung der Landschaftsschutzgebiete im Harz durch die Landkreise der endgültigen Verordnung des Naturparks Harz/Sachsen-Anhalt entgegen (vgl. GEORGE 1997). Als letzter der am Ende am Naturpark beteiligten Landkreise aus Sachsen-Anhalt veröffentlichte der Landkreis Aschersleben-Staßfurt am 21. August 2001 seine Verordnung über das LSG "Harz" (ABl. f. d. LK ASL S. 88). Damit waren alle Hinderungsgründe bezüglich einer Verordnung des Naturparks Harz ausgeräumt. Vor dem Hintergrund, dass der Landkreis Aschersleben-Staßfurt das Verfahren zur Neuverordnung des LSG bereits am 24. Oktober 2000 gemäß § 21 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt eröffnet hatte, eröffnete das Ministerium für Raumordnung, Landwirtschaft und Umwelt seinerseits am 26. April 2001 das Verordnungsverfahren für den Naturpark. Es vergingen dann aber noch ganze zwei Jahre, ehe Frau Ministerin Wernicke als Mitglied der inzwischen neugewählten Landesregierung anlässlich des Walpurgisempfangs am 24. April 2003 im Schlosstheater Ballenstedt die Verordnung des Naturparks Harz/Sachsen-Anhalt im laufenden Jahr verbindlich ankündigte.

Tatsächlich trat die Verordnung über den Naturpark "Harz/Sachsen-Anhalt" vom 28. Oktober 2003 (GVBl. LSA S. 279) dann am 4. November 2003 in Kraft. Noch zum Ende des selben Jahres vereinbarten das Land Sachsen-Anhalt und der Regionalverband Harz vertraglich die Erstellung einer Pflege- und Entwicklungskonzeption für den Naturpark. Diese wurde bis November 2004 fertiggestellt und dient inzwischen als Leitlinie für die Arbeit der Geschäftsstelle. In Umsetzung der Konzeption werden so derzeit verschiedene Naturerlebnisprodukte erarbeitet, darunter das "Landmarkenprojekt" (Geopark als ein Alleinstellungsmerkmal des Naturparks) und das Projekt "Naturerleben an den Harzer Schmalspurbahnen".

Quellen

CASSENS, H.-J. (1993): Die Naturschutzgesetze der neuen Bundesländer. In: K.-H. Hübler & H.-J. Cassens (Hrsg.): Naturschutz in den neuen Bundesländern. Taunusstein.

GEORGE , K. (1997): Entwicklung des Landschaftsschutzrechtes in Sachsen-Anhalt am Beispiel der Landschaftsschutzgebiete im Harz. Göttinger naturkundliche Schriften 4: 285-299.

VON KORTZFLEISCH , A. (o. J.): Zur Geschichte der Naturparkidee im Harz. In: Regionalverband Harz e. V. (Hrsg.): Der Naturpark Harz Aufgabe und Chance für Generationen. Quedlinburg.

LOMMEL, E., M. STADLER & U. KÖSTER (2003): Verband Deutscher Naturparke 40 Jahre. In: VDN (Hrsg.): Die deutschen Naturparke. 40 Jahre Verband Deutscher Naturparke 1963-2003. Bispingen.

MÜLLER, J. (1993): Naturschutz und Landschaftsentwicklung in Sachsen-Anhalt. In: K.-H. Hübler & H.-J. Cassens (Hrsg.): Naturschutz in den neuen Bundesländern. Taunusstein.

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