Hettstedt
Von Dr. Klaus George
Hettstedt liegt an der im Unterharz entspringenden Wipper und markiert den Übergang in das östliche Harzvorland. Erste urkundliche Erwähnung fand der zunächst zum Bistum Halberstadt gehörende Ort als „Heiczstete“ 1046 in einer von Kaiser HEINRICH III. († 1056) gezeichneten Schenkungsurkunde an das Bistum Meißen. Im 12./13. Jh. wurde das Dorf von den Arnsteiner Grafen regiert. 1223 lässt Graf ALBERT VON ARNSTEIN († 1241) auf dem rechts der Wipper gelegenen Kupferberg ein Hospital bauen: auf dem Berg, wo der Legende nach die Brüder Napian und Neucke, Goslarer Bergleute, im Jahr 1199 Kupferschiefer fanden. In Hettstedt eingemeindet wurde der Kupferberg allerdings erst 1879. Bauliches Zeugnis Hettstedts aus dem späten 12. bzw. frühen 13. Jh. ist der links der Wipper gelegene Rundturm einer Wasserburg.
Mit dem aufblühenden Bergbau entwickelte sich nicht nur der Kupferberg sondern auch Hettstedt (1283 „civitas“ genannt). Die Stadt erhält im 15./16. Jh. die spätgotische Hallenkirche St. Jakobi. Deren Schutzparton, der an der Pilgermuschel auf Hut und Tasche als JAKOBUS DER ÄLTERE († 44 n. Chr.) identifizierbare Apostel Jesu, trägt im Stadtwappen vom Ende des 14. Jh. als Zeichen der querfurtischen Abstammung der Mansfelder Grafen in seiner Rechten das Querfurter, in seiner Linken das Mansfelder Wappen. Die Mansfelder Grafen kamen 1394 in den Besitz der Wasserburg. Das Stadtrecht war Hettstedt bereits im Jahr 1334 verliehen worden, noch bevor 1341 der Bischof von Halberstadt im Erbfolgekrieg mit den Regensteiner Grafen Hettstedt erobert hatte. Der Bischof war es dann auch, der den Mansfelder Grafen die Burg zum Pfand gab. Doch 1439 besetzten Bürger der Stadt die Wasserburg, woraufhin die Mansfelder Grafen die inzwischen von einer Mauer und Türmen (Molmeckturm 1434) umgebene Stadt belagerten und schließlich eroberten. Hettstedt wurde Teil der Grafschaft Mansfeld. Als am 31. März 1780 der letzte Graf verunglückte und damit das Geschlecht der Mansfelder im Mannesstamm ausstarb, hatten die Mansfelder Grafen längst ihre Reichsunmittelbarkeit verloren. Ihre Herrschaft stand unter Zwangsverwaltung. Nun fiel Hettstedt auch formell an Kursachsen und wurde 1815 schließlich preußisch. Aus dem Mansfelder Seekreis kam die Hettstedt-Gerbstedter Stadtflur 1876 in den Mansfelder Gebirgskreis und verblieb dort, bis dieser 1950 aufgelöst wurde. Kurzzeitig gehörte das Gebiet dann zum Kreis Eisleben, ehe Hettstedt am 25. Juli 1952 selbst Kreisstadt wurde.
Der am 17. Mai 1990 in „Landkreis“ umbenannte Kreis Hettstedt war am 10. Juni 1992 Gründungsmitglied des Regionalverbandes Harz e. V. sowie der ebenfalls über die Ländergrenzen Sachsen-Anhalts auch in Niedersachsen und Thüringen agierenden Vereine Naturpark Harz e. V. und Kulturverband Harz e. V. Die gut vier Jahrzehnte dauernde Ära Hettstedts als Kreisstadt endete am 30. Juni 1994. Der neue Landkreis Mansfelder Land hatte seinen Sitz in Eisleben und trat zum Ende des Jahres 1999 aus dem Regionalverband Harz aus. Man orientierte sich stärker in Richtung Halle. Erst durch die letzte Kreisgebietsneugliederung 2007 fand das Gebiet des früheren Landkreises Hettstedt als Teil des Landkreises Mansfeld-Südharz den Weg zurück in die länderübergreifend tätige Gemeinschaft des Regionalverbandes Harz (RVH). Die Stadt Hettstedt selbst ist als Fördermitglied des RVH seit 2011 Teil der großen kommunalen Familie, die sich die einheitliche Entwicklung der Harzregion als Natur- und Geopark auf die Fahnen geschrieben hat. Zur Stadt Hettstedt gehören seit 1. September 2010 auch die Ortsteile Walbeck (880 Einwohner) und Ritterode mit Meisberg (320 Einwohner). Die Kernstadt selbst zählte 14.427 Einwohner (Stand: 31. Dezember 2011).
Die Entwicklung der Stadt Hettstedt ist untrennbar verbunden mit dem Bergbau und dem Hüttenwesen. Die Grundlagen dafür schuf die Natur vor mehr als 250 Mio. Jahren während der Zeit des Zechsteins. Dass die Zeit des letzten Abschnitts des Erdaltertums (Paläozoikums) heute „Zechstein“ genannt wird, hat seinen Ursprung im Mansfelder Land. Die Bergleute hier errichteten ihre Bergwerksgebäude (Zechen) für den Abbau des Kupferschiefers auf dem „zähen Stein“. Aus den frühesten Ablagerungen des an seinem Grund sauerstofffreien Zechsteinmeeres entstand der Kupferschiefer, der auch andere Metalle, insbesondere Silber, enthält. Hettstedt liegt am Rand der herausgehobenen Harzscholle. Sedimentschichten sind hier verstellt, das Kupferschieferflöz streicht örtlich an der Erdoberfläche aus. Zeugnis davon gibt die Kleinhaldenlandschaft in der Umgebung von Hettstedt. Ab Mitte des 15. Jh. wurde ein spezielles Verfahren der Metallverhüttung (Saigerverfahren) angewendet, das eine einfachere Abtrennung des Silbers ermöglichte. Es war die Grundlage des Aufschwungs der Stadt Hettstedt als Handels- und Hüttenplatz.
Das Saigertor, eines von drei Toren in der Stadtmauer, trägt seinen Namen, weil es den Weg aus der Stadt zur Saigerhütte im Silbergrund eröffnete. Es ist heute eines der Wahrzeichen der Stadt. Auf dem Kupferberg finden wir die frühere Kirche St. Gangolf – heute ein Ort für Ausstellungen und Konzerte. Der Bahnhof befindet sich südöstlich der Altstadt im Stadtteil Burgörner-Neudorf. In Burgörner-Altdorf finden wir dann das Mansfeld Museum. Es ist untergebracht in einem barocken Schloss, in welchem auch WILHELM VON HUMBOLDT († 1835) einige Jahre wohnte. Hauptattraktion des Museums ist der originalgetreue Nachbau der ersten deutschen Dampfmaschine Wattscher Bauart. Sie kam zur Wasserhaltung im König-Friedrich-Schacht nahe Hettstedt zum Einsatz. Weiteres über das spannende Kapitel der Industriegeschichte verrät das Faltblatt für die Landmarke 17 aus der Geoparkserie des Regionalverbandes Harz. Dieses Faltblatt animiert auch zu einer kleinen Wanderung zum „Grand Canyon“ des Mansfelder Landes. Dort, im Tal der Heiligen Reiser, hat der Regionalverband Harz 2011 Landschaftspflegearbeiten durchführen lassen und eine Informationstafel aufgestellt.
Attraktives Ausflugsziel ist auch der Tierpark in Walbeck. Man kann dort auch gemütlich einen Imbiss einnehmen oder einen Kaffee trinken, während sich die Kinder oder Enkelkinder auf dem attraktiven Spielplatz austoben. Vom Tierpark führt ein Wanderweg vorbei an der Adelheideiche zum Planteurhaus, einem klassizistischen Bau aus der Zeit des frühen 19. Jh. Das Schloss Walbeck auf dem Gelände einer Pfalzanlage, die Kaiser OTTO I. († 973) seiner zweiten Frau ADELHEID († 999) schenkte, wird hoffentlich bald wieder aus seinem Dornröschenschlaf geweckt!
Wer Hettstedt und das Mansfelder Land besucht wird auf Menschen treffen, die sich in ihrer ganz eigenen „mansfällor“ Mundart herzlich über jeden Gast freuen. Mit dem Niedergang der Schwerindustrie (Mansfeld Kombinat) nach der Wiedervereinigung Deutschlands ist der größte Teil der Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Region hat einen schwierigen Anpassungsprozess zu meistern. Größter Arbeitgeber der Stadt ist aktuell mit über 1.000 Beschäftigten die MKN Mansfelder Kupfer und Messing GmbH. Hettstedt ist ein regional bedeutender Schulstandort. Die Grundschule II ist Mitglied im Netzwerk der Unesco-Projekt-Schulen Deutschland. PUNKTum berichtet als lokaler Fernsehsender aktuell aus der Region.
Weiterführende Literatur:
GEOPARK HARZ . BRAUNSCHWEIGER LAND . OSTFALEN GBR (Hrsg., 2009): Geopark Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen. Die klassischen Quadratmeilen der Geologie. Königslutter, Quedlinburg.
GÖSCHEL, H. (Hrsg., 1985): Lexikon Städte und Wappen der Deutschen Demokratischen Republik. 3. Auflage, VEB Bibliographisches Institut Leipzig.
FRIEDEL, C.-H., C. LINKE, M. THOMAE & M. WENZEL (2011): Landmarke 17 – Schloss Mansfeld. Faltblatt des Regionalverbandes Harz. 4., neu bearbeitete Auflage, Quedlinburg.
SCHWINEKÖPER, B. (1987): Provinz Sachsen-Anhalt. In: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Bd. 11. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage, Alfred Kröner Verlag Stuttgart.
Alte Hettstedter Druckerei Heise
Wasserburg und Brauhaus Hettstedt
St.-Gangolf-Kirche auf dem Kupferberg Hettstedt
Flamme der Freundschaft Hettstedt
Mansfeld Museum Hettstedt mit erster deutscher Dampfmaschine
Brück- oder Wassertor Hettstedt
Zuckerhut oder Hexenturm Hettstedt