Naturpark-Blick bei Osterode am Harz
Naturpark-Blick bei Osterode am Harz

Stadt Wernigerode für den Bahnhofsvorplatz

Haltestelle in Wernigerode

Thema: Einbindung von Haltestellen in den öffentlichen Raum

Der Naturparkwettbewerb lief unter dem Thema "Haltestellen und ihre Einbindung in den öffentlichen Raum". Ein kleines abgegrenztes Thema - gegenüber dem des Vorjahres 2003 unter dem Motto "Straßenraum - Lebensraum". Zu bewerten und einzuschätzen waren in jenem vorhergehenden Wettbewerb Fußgängerzonen, Ruhe- und Verweilräume, Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Einrichtungen - auch für Behinderte und Kinder. Bekanntlich ist am Gesamteindruck des inneren Ortsbildes das menschliche Antlitz einer Kommune ablesbar. Viel hat sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren verbessert, Hilfestellung dafür gaben die Förderprogramme des Städtebaues und der Dorferneuerung. Sie schufen für private und öffentliche Bauherren finanzielle Gestaltungsspielräume.
Bei den alljährlichen Ortsbefahrungen fielen der Jury immer wieder die innerörtlichen Bushaltestellen mit doch recht unterschiedlichen Erscheinungsbildern auf. Zum einen konnten homogene eingeordnete, ausgewogen gestaltete Haltestellen registriert werden, zum anderen aber trafen wir auch auf ganz und gar Gegenteiliges. Neben urtümlichen Betonrelikten aus sozialistischer Vergangenheit, gibt es auch Unterstände, denen man die Hilflosigkeit, aus der heraus sie konzipiert wurden, ansieht. Die Jury kam zu dem Entschluss, dieses Thema zum Motto des Naturparkwettbewerbes 2004 zu wählen. Somit bewegen wir uns in logischer Weiterführung des großen Themenkomplexes von 2003 - Straßenraum innerhalb der Ortschaften unserer Harzlandkreise. Haltestelle - Wartestelle - Unterstand - das klingt simpel - ein unbedeutendes Detail, ein notwendiges Übel? Haltestellen für Busse mitten im Straßenbild haben noch keine Tradition; sie sind relativ junge und notgedrungene Einrichtungen. Ganz anders verlief da die Entstehung der Bahnhöfe der Eisenbahn. Mit der Entwicklungsgeschichte des beginnenden Industriezeitalters des 19. und 20. Jahrhunderts begann auch die allgemeine Mobilität der Menschen rasant anzuwachsen. Die entstehende Technik ermöglichte es vielen Menschen sich gleichzeitig schnell von einem zum anderen Ort zu bewegen. Es entstand eine Fahr- und Reisekultur, die bis heute anhält und wächst.

Aus dieser Kultur heraus entstand besonders in den Metropolen eine gigantische Bahnhofsarchitektur. Bewundernd stehen wir vor der genialen Leistung ihrer Erbauer. Im Beherrschen planerischer und handwerklicher Komplexität setzten sie technische Erfindungen um und entwickelten individuelle Vielfalt mit anspruchsvoller künstlerischer Aussage. Anschauliches Beispiel dieser Zeit ist unter anderen der Leipziger Bahnhof, der im Jahr 1915 eingeweiht wurde. Die Länder haben heute viele dieser Mobilitätstempel unter Denkmalschutz gestellt. Auch die größeren und kleineren Bahnhöfe im Harz entstanden in rascher Abfolge parallel zueinander. Mit der Erschließung des Harzes per Bahn und Schmalspurbahn gewann er an Popularität. Eine harzspezifische reise- und Ausflugskultur entwickelte sich, die eine wirtschaftliche, kulturell touristische Blüte hervorbrachte. Die bemerkenswerten Baulichkeiten dieser Zeit, darunter auch die Bahnhöfe, sind heute vielfach in ihrer Existenz gefährdet. Eine Transportkultur scheint mit ihnen unterzugehen. Daran wird auch der Denkmalschutz nichts ändern. Ihnen fehlt die sinnvolle Nutzung. Die Personenbeförderung durch Busse und Autos hat sie abgelöst. Der Bus kommt in die Stadt, in den Ort. Er holt die Menschen von dort direkt ab. Anders als bei der Schiene sind die Haltepunkte beliebig festzulegen.

Damit beginnt auch das Dilemma einer etwaigen eigenständigen Gestaltungskultur der Haltestellen. Jeweils verkehrstechnische Festlegungen bestimmen die Standorte. Für die Wartenden ist gefahrlose Zugänglichkeit abzusichern, es bedarf der deutlichen Markierung der Stelle zum Halten. Die Haltestelle muss einen ordentlichen Wetterschutz bieten, sie muss eine gewisse Geräumigkeit für Rollstuhl, Kinderwagen und Sitzplatz besitzen. Der Reisende muss sich anhand von Fahr- und Ortsplänen orientieren können. All diese Voraussetzungen gilt es nun zu fassen und in eine ansprechende Form zu bringen, hinein in eine vorgegebene gewachsene Ortstruktur. Der Gestaltung sind Grenzen gesetzt. Es ist nicht möglich, unabhängig von der vorhandenen Bebauung eigenständige, losgelöste Wartestände zu kreieren oder einschlägige Kataloge zu wälzen und auf ein Modell von der Stange zurück zu greifen.

Diese Spielregeln gelten für jede innerörtliche Lücken- oder Neubebauung. Sie setzen sensible Professionalität voraus, die zunächst im Begreifen und dokumentierender Erfassung der Umgebung in Gänze zu beginnen hat. Durchaus kann es dann im Ergebnis jeweils zu recht unterschiedlichen Varianten kommen, z. B. einer modern transparenten, oder schlicht neutralen oder auch konservativ angepassten. Für die letzte Entscheidung sollte die jeweilige Denkmalbehörde um ihre Meinung gefragt werden. Um Kosten zu sparen, aber auch um für den Ort Öffentlichkeit zu schaffen, gibt es die Möglichkeit das Thema "neue Bushaltestelle" einer Architekturhochschule als Diplomarbeit anzubieten. Immer aber sollte die Errichtung eines Wartehauses fachmännisch behandelt werden, denn es geht städtebaulich um ein wichtiges Element mit künstlerischer Aussagekraft. Mit seinem Erscheinungsbild kann es eine Ortssituation auf- oder abwerten. Guter Geschmack ist nicht teuer, aber schlechter Geschmack kann teuer werden. Für Reisende wird die Haltestelle den wichtigen ersten und wichtigen letzten Eindruck vermitteln. Unsere Wettbewerbsrundreise war alles in allem interessant und aufschlussreich. Gutes und Beachtliches zum Thema sahen wir, aber auch Verbesserungswürdiges. In allen am Wettbewerb beteiligten Orten wurden uns die Haltestellen engagiert und freundlich vorgestellt. Wir besuchten Wernigerode, Langelsheim, Niedersachwerfen, Hasselfelde, Bad Suderode und Rieder. Nach einem Punktesystem und anhand eigener Aufzeichnungen wurde der diesjährige Sieger des Naturparkwettbewerbes ermittelt.

Preisträger: Stadt Wernigerode

Die Stadt hat den Vorteil, ein großräumiges Vorbahnhofsterrain zu besitzen. Hier konzentrieren sich die Bahnhöfe dreier unterschiedlicher Verkehrsmittel, der Deutschen Bundesbahn, der Harzer Schmalspurbahn und des öffentlichen Busverkehrs. Den Blickfang des Platzes bildet die zentral gelegene restaurierte Fassade des Hauptbahnhofes der Deutschen Bundesbahn. Im rechten Winkel links davon befindet sich das Gebäude der Harzer Schmalspurbahn. Der Busbahnhof behielt seinen angestammten Platz links vom Hauptbahnhof. Teile seiner Stahlkonstruktion wurden beibehalten. Trennwände und Überdachungen der Busbahnsteige wurden neu und transparent gestaltet. Kleingebäude in unmittelbarere Nachbarschaft aus der Entstehungszeit des Hauptbahnhofes wurden angemessen restauriert und werden gastronomisch genutzt.

In unmittelbarere Nähe des Busbahnsteige befindet sich ein zugehöriges zurückhaltend gestaltetes Zweckgebäude für Kartenverkauf, Information und Toilettennutzung. Der Bahnhofsvorplatz bietet Taxiverkehr an, auch PKW-Stellplätze sind ausreichend vorhanden. Der ganze Parkplatz wurde gliedernd z. T. mit Naturstein gepflastert, gärtnerisch gestaltet und mit Bänken zum Verweilen bestückt. Überdachte Informationsstände geben wichtige Orientierungshinweise. Alles in allem strahlt dieser Platz eine gewisse Großzügigkeit aus und vermittelt dennoch kleinstädtische Intimität. Wernigerode hat sich mit diesem Reisezentrum eine wichtige Voraussetzung für eine lebendige Stadtentwicklungsgeschichte geschaffen. Sie hat die herzliche Gratulation der Jury des Naturparkwettbewerbs des Regionalverbandes Harz e. V. verbunden mit vielen guten Wünschen.

Weitere Wettbewerbsteilnehmer

Bad Suderode
Das Ortsbild des Kurortes ist durch seine über 170-jährige Kur- und Bädergeschichte geprägt. Die fluoridhaltige Natrium-Calcium-Chlorid-Sole ist der "Grundstein" bzw. das Heilmittel. Viele Kurgäste nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel und so auch eine der Bushaltestellen. Die Wartehäuschen haben ein einheitliches Erscheinungsbild.

Die nur halbhohe Ausmauerung des Fachwerkes erlaubt aus dem Inneren freie Sicht zur Straße. Besonders die Haltestelle am Platz des Friedens überzeugt durch die gelungene Gestaltung des Ensembles mit Grünanlage, Wartehäuschen und Straßenbeleuchtung. Im Wartehäuschen ist u.a. den Vereinen des Ortes die Möglichkeit gegeben, ihre Informationen in Schaukästen bekannt zu geben.

Stadt Hasselfelde
Die Haltestellen im Luftkurort Hasselfelde wurden im Rahmen der Stadtsanierung neu geschaffen.Der Bereich der zentralen Haltestelle passt sich optimal in die Umgebung ein. Die Transparenz des überdachten Wartebereiches lässt den Blick auf die umliegenden Gebäude zu. Dazu gehört auch eine Schule.

Vorteilhaft ist die Nähe so dass die Schüler keine vielbefahrene Straße überqueren müssen, um zur Haltestelle bzw. zur Schule zu gelangen.Durch die gute Kombination von Natursteinpflaster und Kunststeinpflaster werden Fußgängerbereich (Gehweg und Haltestelle) und Straßenbereich optisch voneinander getrennt. Zu dem stimmigen Gesamteindruck trägt auch der saubere Zustand bei.

Stadt Langelsheim, Ortsteil Astfeld
Die Bushaltestelle in der Goslarschen Straße im Ortsteil Astfeld der Stadt Langelsheim fügt sich weitgehend in die ortsübliche Bebauung mit Fachwerkhäusern ein. Die Haltestelle gefällt durch ihren freundlichen Eindruck, den sie dem Ankommenden vermittelt.

Dieser Eindruck wird auch von der dahinterliegenden kleinen Grünanlage unterstützt, in der sich eine Informationsstelle befindet. Der Busfahrplan ist seitlich vor dem Wartehäuschen angebracht und gut lesbar. Auffällig ist die Sauberkeit des gesamten Bereiches. Hier wird täglich kontrolliert und bei Bedarf gereinigt.

Niedersachswerfen
Die Gemeinde Niedersachswerfen bewarb sich mit einer Haltestelle der Harzer Schmalspurbahn. Dem hohen Engagement der Gemeinde ist es zu verdanken, dass das Bahnhofsgebäude saniert wurde, obwohl es sich nicht im Eigentum der Gemeinde befindet. Der neue Anstrich des mit Holz verkleideten Gebäudes setzt einen markanten Blickpunkt.

Auch die verschiedenfarbigen Bahnsteiglaternen heben sich von dem gewohnten Straßenlaternengrau ab. Im Haltestellenbereich wurden 15 Kugelrobinien gepflanzt. Pflanzkästen, die jahreszeitlich entsprechend bepflanzt werden tragen zum freundlichen Eindruck bei.

Die sich gegenüberliegenden Wartehäuschen an den Bushaltestellen im über 2000 Einwohner zählenden Dorf Rieder fügen sich harmonisch in das dörfliche Umfeld ein. Die Wartehäuschen sind mit ihrem Sockel, dem teilweise offenen Fachwerk und dem Ziegelfußboden schlicht aber ansprechend gebaut.

Das nach einer Seite offene Fachwerk gestattet den Blick zur Straße. Teilweise ist der Übergang vom Fußboden zum Gehweg abgesenkt, so dass man z.B. mit einem Kinderwagen problemlos in das Wartehäuschen gelangt. Die Bänke im Innenbereich sind solide und passen zum Gebäude. Zum sehr guten Gesamteindruck tragen die schönen, gepflegten Grünanlagen und der saubere Zustand der Haltestellen bei.

Text: Erdmute Neubert